Denk­mal­schutz

Vollzug oder Diskurs

Die deutschen Begriffe „Denk­mal­schutz“ und „Denk­mal­pflege“ sind viel­sa­gend. Wir schützen und pflegen nämlich ausschließ­lich Dinge, die wir schätzen. Dem geht eine Bewertung voraus, die das Schüt­zens­werte zuun­gunsten des Nicht-Schüt­zens­werten auswählt. Der Denk­mal­schutz versucht im Allge­meinen darzu­legen, dass dieser auch für seine Belange grund­le­gende Prozess von objek­tiven Kriterien geleitet sei. Wenn wir einmal die theo­re­ti­sche Angreif­bar­keit eines solchen Unter­fan­gens beiseite lassen, ist zumindest inter­es­sant, dass die Denk­mal­listen aller­orten reihen­weise Objekte aufführen, deren Auswahl argu­men­tativ oft eher schlecht zu begründen ist.

Gewiss bemüht sich die Erfassung von Denk­mä­lern redlich um objektive Kriterien, spätes­tens bei stei­gender Objekt­zahl und näher kommenden Erstel­lungs­zeiten jedoch wird es schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen. Schon ein flüch­tiger Blick in die Geschichte belegt, wie irrig frühere Zeit­ge­nossen ihre nahen Vorgänger bewertet haben. Heißt das, wir pflegen mögli­cher­weise die falschen Denkmäler? Kann es so etwas wie die richtigen Denkmäler überhaupt geben? Und ist es wichtig, die richtigen zu erhalten? Oder ist das viel­leicht ganz egal?

Spätes­tens ange­sichts dieser grund­le­genden Fragen wird deutlich, dass die Debatte um zu erhal­tende Gebäude nicht hinter geschlos­senen Türen statt­finden sollte. Um einen öffent­li­chen Diskurs zu ermög­li­chen, müsste die Denk­mal­pflege auf ihr lieb­ge­wor­denes Selbst­bild als Voll­zugs­organ eines Gesetzes, in dem alles geregelt ist, verzichten. Sie müsste sich in die Debatte begeben und begreifen, dass es nicht um fest­ge­schrie­bene Posi­tionen mit Verord­nungs­cha­rakter geht oder um ein Problem der kunst­his­to­ri­schen Deutungs­ho­heit. Notwendig ist statt­dessen eine Ausein­an­der­set­zung um gesell­schaft­liche Werte und Bewer­tungen, an der sich die Denk­mal­pfleger als Experten und Mode­ra­toren betei­ligen sollten. Gelänge es ihnen damit, sich weniger als bloße Bewahrer, sondern mehr als Diskurs­führer zu präsen­tieren, könnten sie der Öffent­lich­keit tatsäch­lich eine Plattform bieten, auf der kompetent und beständig wichtige gesell­schaft­liche und ästhe­ti­sche Aspekte unserer gebauten Umwelt disku­tiert würden. Im Gegenzug müssten beispiels­weise Archi­tekten begreifen, dass Denk­mal­pflege kein Behin­de­rungs­in­stru­ment ist, sondern ein legitimes Interesse vertritt, das – in welcher Form auch immer – zu inte­grieren ist.

Für die Insti­tu­tionen der Denk­mal­pflege birgt die vorge­schla­gene Debatte natürlich auch die Gefahr des Verlustes: Verlust  an Macht, aber  auch ein Verlust  von Denk­mä­lern. Dieser würde aber durch einen Gewinn an Renommee und Diskurs­fä­hig­keit aufge­wogen. Schließ­lich ist eine Denk­mal­pflege, der es nicht gelingt, die Menschen mitzu­nehmen, auf Dauer nicht zukunfts­fähig.

Prof. Dipl.-Ing. Andreas Hild (*1961) studierte Archi­tektur an der ETH Zürich und der TU München. 1992 gründete er zusammen mit Tillmann Kalt­wasser das Büro Hild und Kalt­wasser Archi­tekten. Seit 1999 in Part­ner­schaft mit Dionys Ottl: Hild und K Archi­tekten. Nach verschie­denen Lehr­auf­trägen und Gast­pro­fes­suren wurde Hild 2013 auf die Professur für Entwerfen, Umbau und Denk­mal­pflege an der TU München berufen. Andreas Hild ist Mitglied des Redak­ti­ons­bei­rats dieser Zeit­schrift, er lebt und arbeitet in München.

Sep Ruf, Kanz­ler­bun­galow, Bonn 1963–1966, Foto: David Kasparek
Sep Ruf, Kanz­ler­bun­galow, Bonn 1963–1966, Foto: David Kasparek