Die Zukunft des Bestands

Eine typo­lo­gi­sche Auswer­tung

Mehr als vier Millionen Wohnungen könnten im Gebäu­de­be­stand Deutsch­lands zusätz­lich errichtet werden – so lautet das Ergebnis einer aktuellen, typo­lo­gisch gelei­teten Studie der Arbeits­ge­mein­schaft für zeit­ge­mäßes Bauen. In seinem Beitrag legt deren Geschäfts­führer Dietmar Walberg syste­ma­tisch dar, wieso das Potenzial seiner Ansicht nach vor allem in der Umnutzung von Nicht­wohn­ge­bäuden liegt, während sich die Sanierung von nicht mehr zeit­ge­mäßem Wohnraum oftmals aufwen­diger gestaltet.

Im Zuge der Primär­da­ten­er­he­bung für die Wohnungs­bau­studie zum deutschen Wohnungs­bautag 2022 („Wohnungsbau: Die Zukunft des Bestandes“) wurden neben der typo­lo­gi­schen Bewertung des Wohn­ge­bäu­de­be­stands auch die Poten­ziale der Wohn­raum­schaf­fung ohne weitere Flächen­ver­sie­ge­lung bewertet. Dies beinhaltet sowohl die Analyse der Wohn­ge­bäude als auch der Nicht­wohn­ge­bäude. Zahl­reiche ausge­führte Projekte zeigen, dass insbe­son­dere im gewerb­li­chen Bereich – bei den Büro- und Verwal­tungs­bauten, aber auch weiteren Gebäu­de­typen – erheb­liche Umnut­zungs­po­ten­ziale zu bergen sind. Typo­lo­gisch ist bei der Analyse des Umnut­zungs­po­ten­zials von Nicht­wohn­ge­bäuden zu Wohn­zwe­cken zwischen wohn­ähn­li­chen Nicht­wohn­ge­bäuden und sonstigen Nicht­wohn­ge­bäuden zu unter­scheiden. Wohn­ähn­liche Nicht­wohn­ge­bäude sind zum Beispiel: Büro- und Verwal­tungs­ge­bäude, Kran­ken­häuser, Gesund­heits­ein­rich­tungen und Alten­ta­ges­stätten sowie Hotels, Pensionen oder auch Kaser­nen­ge­bäude (Unter­brin­gung) und spezielle Speicher- oder Lager­ge­bäude, insbe­son­dere aus den 1920er- und 1930er-Jahren.

Die Büro- und Verwal­tungs­ge­bäu­de­struktur in Deutsch­land ist auf den ersten Blick hete­ro­gener als die meist strin­gen­teren Typo­lo­gien folgenden Wohn­ge­bäude in ihrer jewei­ligen Gebäude-Alters­klasse. Tatsäch­lich gibt es jedoch auch im Bereich der Büro­ge­bäude spezi­fi­sche Typo­lo­gien, die eine Ordnung nach ihren baulichen und umnut­zungs­tech­ni­schen Möglich­keiten zulassen.

Büro- und Verwal­tungs­ge­bäude

Verwal­tungs­hoch­haus von Teppich-Kibek in Elmshorn (Baujahr 1959), im Jahr 2017 zu Wohnraum umgebaut, Foto: Stadt­ar­chiv Elmshorn

In Deutsch­land exis­tieren zurzeit circa 350 Millionen Quadrat­meter Nutz­fläche in Büros und Verwal­tungs­ge­bäuden. Nach Analysen und Auswer­tungen durch die Arbeits­ge­mein­schaft für zeit­ge­mäßes Bauen auf der Basis durch­ge­führter Bauvor­haben und Erkennt­nissen aus aktuellen Forschungs­pro­jekten sind circa 20 Prozent der Büro- und Verwal­tungs­ge­bäude mit mittlerem baulichen Aufwand und 30 Prozent mit einfachem bezie­hungs­weise geringem baulichen Aufwand für den Umbau und die Umnutzung zu Wohnungen („Rede­ve­lo­p­ment“) technisch und funk­tional geeignet. Eine prin­zi­piell einfache Formel macht den baulich-konstruk­tiven, nutzungs­spe­zi­fi­schen Zusam­men­hang klar: Je neuer die bauliche Struktur, desto besser ist sie in der Regel für die Umnutzung geeignet.

Büro­ge­bäude, die in den 1920er- und 1930er-Jahren errichtet wurden, in der Regel Mauer­werks­bauten, weisen meist eine unfle­xible, von massiven Wänden geprägte Grund­riss­struktur auf. Umbauten sind daher bei diesen Gebäuden in der Regel technisch und konstruktiv aufwendig. Das macht diese Gebäude nicht grund­sätz­lich für eine Umnutzung unin­ter­es­sant, die vorhan­denen Grund­risse müssen schlichtweg passen. Ausrei­chend große (nicht zu große) Büroräume mit zumeist ausrei­chender Belich­tung können durchaus geeignet sein, ohne größeren Umbau als Wohnung genutzt zu werden.

Die Büro- und Verwal­tungs­bauten der Nach­kriegs­zeit, vornehm­lich der 1950er-Jahre, sind in der Regel geprägt von Stahl­be­ton­grund­kon­struk­tionen und Mauerwerk. In den Außen­wänden wurden vielfach Stahl­träger als Trag­ele­mente verwendet. Da die Last­ab­tra­gung in den 1950er- und 1960er-Jahren noch weitest­ge­hend über die Außen­wände stattfand, sind diese Gebäude bereits flexibler anpassbar als ihre histo­ri­schen Vorgänger und Eingriffe in die Grund­risse technisch einfacher zu lösen.

Gebäude der unmit­tel­baren Nach­kriegs­zeit, insbe­son­dere jene des Wieder­auf­baus, müssten eigent­lich mit Warn­hin­weisen versehen werden. Häufig finden wir hier Substi­tu­ti­ons­bau­stoffe, von der eigent­li­chen Baube­schrei­bung abwei­chende Mate­ria­lien und Aufbauten oder aber Trag­werks­kon­struk­tion vor, die ausge­tauscht oder nach­ge­bes­sert werden müssen. Bei vielen dieser Gebäude offen­baren sich nach Öffnen von Wänden und Decken­ver­klei­dungen Probleme, die konstruktiv gelöst werden müssen. Für den Brand­schutz muss bei Gebäuden dieser Entste­hungs- oder Wieder­errich­tungs­zeit meist ein höherer Aufwand einge­plant werden.

Ob die Grund­riss­struktur von zwei- oder drei­bün­digen Anlagen (letztere mit innen­lie­gender Sani­tär­zone, Erschlie­ßung und Neben­räumen) besser für Umbau und Umnutzung zu Wohnungen geeignet sind, lässt sich nicht pauschal beur­teilen, da dies von der Art und Struktur der geplanten Wohnungs­schnitte abhängt. Hier gilt die Grund­regel: Ein flexibler Wohnungsmix von kleinen, mittleren und großen Wohnungen erleich­tert immer die Umbau­mög­lich­keit des vorhan­denen Gebäudes. In den 1960er- und 1970er-Jahren entwi­ckeln sich dann Konstruk­tionen, die zunehmend auf eine flexible Teil­bar­keit der Raum­struk­turen setzen. Größere Trag­kon­struk­tionen, Skelett­kon­struk­tionen mit Stützen sowie die Verla­ge­rung der Stützen weg von der Außen­fas­sade ermög­lichten eine höhere Flexi­bi­lität der Raum­struktur und der Fassa­den­ge­stal­tung.

Büro­ge­bäude ab den 1970er-Jahren weisen in der Regel eine ausrei­chende Trag­fä­hig­keit der Decken­kon­struk­tion auf, um weit­ge­hend flexible Raum­struk­turen zuzu­lassen. Einschrän­kungen für die Umbauten zu Wohn­zwe­cken ergeben sich hier aus den Gebäu­de­tiefen. Bis 1980 entstan­dene Gebäude, die Groß­raum­büros vorsahen und teilweise große Raum­tiefen von 20 Metern oder mehr reali­sierten, sind für Umbauten zu Wohn­zwe­cken regel­mäßig eher unge­eignet.

Ab den 1980er-Jahren wurde mehr Wert auf flexible Raum­kon­zepte gelegt. Die Gebäu­de­ty­po­logie von Büro- und Verwal­tungs­ge­bäuden ab diesem Zeitraum ist von Gebäuden dominiert, die variabel vermiet­bare Flächen zulassen. Die Raum­struk­turen werden von Leicht­bau­wänden gebildet, entspre­chend unauf­wendig sind bauliche Anpas­sungen. Im Einzel­fall zu bewerten sind die ver- und entsor­gungs­tech­ni­schen Infra­struk­turen, die – den variablen Raum­kon­zepten folgend – häufig flexibel genug angelegt sind. Ausnahmen gibt es jedoch natürlich auch hier.

Gerade die Erfah­rungen mit variablen Raum­nut­zungen zeigen im Übrigen, dass sich Wohn- und Verwal­tungs­nut­zungen gegen­seitig gut vertragen. Die Bauher­ren­mo­delle der 1980er-Jahre, in denen Büro- und Wohn(um)nutzungen fluk­tu­ie­rend statt­fanden und statt­finden, zeigen, dass derartige Immo­bi­lien für entspre­chende Misch­ver­wen­dungen gut geeignet sind.

Einzel­handel, Läden und Fach­märkte

Gebäude des Einzel- oder Fach­han­dels gehören prin­zi­piell zu den nicht­wohn­ähn­li­chen Gebäuden. Die meisten Gebäude, die als Fach­ge­schäfte oder Fach­märkte gebaut wurden, sind für eine Umnutzung zu Wohn­zwe­cken eher nicht geeignet. Große Gebäude- und Raum­tiefen lassen eine sinnvolle, ausrei­chend belich­tete Unter­tei­lung in Wohnraum größ­ten­teils nicht zu. Ähnliches gilt für die Aufsto­ckung, insbe­son­dere von einge­schos­sigen Fach­märkten oder ähnlichem. Auch wenn es wünschens­wert wäre, hier die vorhan­dene, bereits versie­gelte und belegte Fläche für mehr­ge­schos­sigen Wohnungsbau als Aufsto­ckung und damit Nach­ver­dich­tung zu nutzen, sind die Trag­struk­turen dafür in der Regel nicht geeignet und müssten mit hohem tech­ni­schen Aufwand nach­ge­rüstet werden.

Trotzdem bedarf es auch bei dieser Gebäu­de­ty­po­logie einer diffe­ren­zierten Bewertung vorhan­dener Umnut­zungs­po­ten­ziale. Bei ehema­ligen Waren­häu­sern, die oft mehr­ge­schossig mit innen­lie­gender Erschlie­ßung errichtet wurden, gibt es durchaus Ansätze zur Unter­brin­gung von Wohnraum. Derartige Gebäude sind in der intel­li­genten Anordnung von Grund­riss­typen durchaus geeignet, inner­städ­ti­schen Wohnraum baulich reali­sieren zu las­sen. Mehr­ge­schos­sige Einzel­han­dels- und Ver­kaufsgebäude dagegen weisen häufig Um­nutzungspotenziale bei den nicht mehr be­nötigten Neben­räumen oder in den Ober­ge­schossen mit ehema­ligen Verwal­tungs­räumen auf, die zur Umnutzung zu Wohn­zwe­cken ebenfalls geeignet sind.

Weitere wohn­ähn­liche Zweck­bauten

Die Wohn­ähn­lich­keit von Nicht­wohn­ge­bäuden ergibt sich meist durch den ersten Blick auf den Phänotyp des Gebäudes: Kubatur, Gebäu­de­tiefe und Grundkons­truktion sind sichtbar, den technisch konstruk­tiven „Genotyp“ des Gebäudes gilt es dann spezi­fisch zu bewerten. Ein typisches Beispiel hierfür sind die Spei­cher­ge­bäude des Reichs­er­näh­rungs­pro­gramms, die zwischen 1937 und 1938 deutsch­land­weit errichtet wurden. Hierbei handelt es sich um Typen­bauten, die zur Kriegs­vor­be­rei­tung in zahl­rei­chen Orten und Städten als Silo­flä­chen­spei­cher syste­ma­tisch an spezi­ellen Verkehrs­kno­ten­punkten entstanden. Von weitem und auf den ersten Blick von Wohn­ge­bäuden kaum unter­scheidbar, sind sie in der Regel mit Loch­fas­saden versehen, als Massiv­bauten konstru­iert und ihre Trag­kon­struk­tion ist – für Spei­cher­bauten natürlich substan­ziell – für hohe Trag­lasten ausgelegt. Diese Gebäude entstanden in Gruppen von drei oder mehr Gebäuden und werden derzeit in Teilen bereits umgebaut oder sind für ein Rede­ve­lo­p­ment vorge­sehen. Bekannte Projekte entstanden und entstehen zum Beispiel in Rendsburg, Kassel, Münster, Göttingen, Hamburg und Rathenow.

Die gleiche Einschät­zung gilt für Kaser­nen­bauten und (ehemalige) mili­tä­ri­sche Anlagen. Zahl­reiche Konver­si­ons­pro­jekte zeigen, dass die Unter­brin­gungs­ein­rich­tungen häufig mit über­schau­barem Aufwand für die Umnutzung zu Wohn­zwe­cken geeignet sind. Auch hier gilt: Flexible Wohnungs­zu­schnitte erleich­tern den Umbau. Kombi­na­tionen aus kleinen Wohnungen, Zwei- bis Drei-Zimmer­woh­nungen und – wo notwendig – größeren Wohnungen oder spezi­fi­schen Wohnungs­zu­schnitten mit wenigen Räumen, dafür aber großen Wohn­flä­chen, sollten nach vorher­ge­hender Analyse des Wohnungs­markts und seiner Bedarfe flexibel geplant werden.

Bei intel­li­genter Nutzungs­pla­nung, zum Beispiel wohner­gän­zender Funk­tionen wie Coworking-Spaces oder Gemein­schafts­ein­rich­tungen, wird nicht nur den funk­tio­nalen Anfor­de­rungen zukünf­tiger Wohn­formen Rechnung getragen. Zugleich können konstruk­tive Einschrän­kungen der vorhan­denen Bausub­stanz, wie etwa schlecht belich­tete Räume, sinnvoll ausge­gli­chen werden.

Umbau von vorhan­denem Wohnraum zu zukunfts­fä­higem Wohnraum

Auf den ersten Blick scheint es wider­sinnig, bei weiter­ge­hender Analyse jedoch logisch: Der Umbau von nicht zeit­ge­mäßem Wohnraum zu zukunfts­fä­higem Wohnraum ist in der Regel aufwen­diger als die Umnutzung von Nicht­wohn­ge­bäuden zu Wohnraum. Typo­lo­gisch sind die Wohn­ge­bäude eindeu­tiger zu clustern als Zweck- und Gewer­be­ver­wal­tungs­bauten, die hete­ro­genen Nutzungs­arten zuzu­ordnen sind. Über 36 Prozent der Wohn­ge­bäude (über 41 Prozent der Wohnungen) in Deutsch­land wurden in der Nach­kriegs­zeit bis in die 1970er-Jahre errichtet. Typo­lo­gisch zeigen sich hier mehrere Gene­ra­tionen der Wohn­raum­schaf­fung nach den jewei­ligen Bedarfen des Wohnungs­marktes:

Erstens: Wohnungsbau aus der unmit­tel­baren Wieder­auf­bau­phase

Für eine Zwei­pha­sen­nut­zung ausge­legte Duplex-Grund­risse der 1950er-Jahre: konzi­piert als Kleinst­woh­nungen für Familien zur Linderung der Wohnungsnot, nach Entspan­nung auf dem Wohnungs­markt als Einfa­mi­li­en­rei­hen­haus nutzbar, Abb.: WOBAU Neumünster

Aus dieser Zeit entstammen Wohnungen und Wohn­ge­bäude, die schnell errichtet wurden. In der Regel sind dies eher kleinere Wohnungen mit relativ vielen Räumen und wenig Nutzungs­kom­fort (Schall­schutz, Barrie­re­armut). Hinsicht­lich der Umbau­po­ten­ziale der Gebäude dieser Art ist zu unter­scheiden zwischen denje­nigen, bei denen durch über­schau­bare Eingriffe die Trag­struktur ertüch­tigt oder durch Anbauten die Erschlie­ßungs­flä­chen vergrö­ßert werden können. Dies entscheidet wesent­lich über die Frage, ob diese Gebäude überhaupt erhalten und einer zukunfts­fä­higen Wohn­nut­zung zugeführt werden können.

Eine häufige Typologie aus dieser Zeit sind die reihen­haus­ähn­li­chen zwei- bis vier­ge­schos­sigen Gebäude mit mehreren über­ein­an­der­lie­genden, meist kleinen 30 bis 40 Quadrat­meter großen Wohnungen. Wenn diese als Duplex­haus angelegt wurden, also für eine Mehr­fach­nut­zung, können sie mit über­schau­barem Aufwand zu Reihen­häu­sern umgebaut werden – insgesamt eine sinnvolle Alter­na­tive zum Einfa­mi­li­en­haus auf unbe­bautem Grund­stück.

Zweitens: Wohn­ge­bäude der späteren 1950er- sowie 1960er-Jahre

In dieser Zeit domi­nieren die mittel­großen Fami­li­en­woh­nungen. Die klas­si­sche „2 + 2‑Familie“ prägte das Gesell­schafts­bild und damit auch den Wohnungs­markt. Die Wohnung dieser Zeit hat vorwie­gend 65 bis 75 Quadrat­meter. Das macht sie prin­zi­piell für eine Weiter­nut­zung, also Moder­ni­sie­rung der Gebäude ohne Umbau inter­es­sant, aller­dings nicht an jedem Wohnungs­markt. Ein Problem ergibt sich, wenn die Wohnungen in großer Stückzahl ohne Wohnungs­marktmix auftreten. Ausge­führte Beispiele zeigen aller­dings, dass mit über­schau­barem Aufwand aus etwas größeren Wohnungen auch kleinere Wohnungen wie alten­ge­rechte oder Studen­ten­woh­nungen geschaffen werden können, wenn der Wohnungsmix insgesamt flexibel gestaltet werden kann.

Drittens: Wohnungsbau der späten 1960er‑, 1970er- und 1980er-Jahre

Geschoss­woh­nungsbau der 1970er-Jahre, Beispiel­grund­riss, Abb.: Archiv der Arbeits­ge­mein­schaft für zeit­ge­mäßes Bauen e. V.

Der Wohnungsbau wurde nun groß­zü­giger und flexibler. Für Kinder stand regel­mäßig je ein eigenes Kinder­zimmer zur Verfügung, aber auch der halbe Raum als Nebenraum wurde zunehmend in den Grund­rissen platziert. Grund­risse aus dieser Zeit sind in der Regel heute und auch dauerhaft am Wohnungs­markt sinnvoll plat­zierbar. Kleine Neben­räume sind aktuell das, was das Home­of­fice an Fläche erfordert; die Grund­riss­struktur und die Zuschnitte der Wohnungen, die Belich­tung der Räume und die Erschlie­ßung lassen die Gebäude ohne Umbau­maß­nahmen für die ener­ge­ti­sche Ertüch­ti­gung und sonstige Wohn­wert­stei­ge­rung geeignet erscheinen.

Typologie für Aufsto­ckungs­po­ten­ziale im Wohnungsbau

Die Aufsto­ckungs­fä­hig­keit hängt konstruktiv wesent­lich von den vorhan­denen Trag­re­serven der Bausub­stanz ab. Die Wohn­ge­bäude der 1950er-Jahre (als Blockrand- oder Zeilen­be­bauung, drei bis vier Geschosse), die Zeilen­be­bauung und die ersten Wohn­sied­lungen der 1960er-Jahre (drei bis fünf Geschosse) eignen sich in der Regel aufgrund der vorhan­denen beschränkten Trag­re­serven nur für Dach­ge­schoss­aus­bauten und einge­schos­sige, in wenigen Fällen zwei­ge­schos­sige Aufsto­ckungen.

Wohnungs­bauten der 1970er- und frühen 1980er-Jahre, als Zeilen­be­bauung und Punkt­bauten, können in Teilen auch zwei- bis drei­ge­schossig aufge­stockt werden, wenn es die sonstigen Rahmen­be­din­gungen zulassen. Die sonstigen Konse­quenzen, wie Wechsel der Gebäu­de­klasse, Brand­schutz­an­for­de­rungen, Nach­rüs­tung von Aufzügen, Baupla­nungs­recht oder vorhan­dene soziale und tech­ni­sche Infra­struktur müssen dabei jeweils mitge­dacht werden.

In der Gesamt­be­wer­tung ist fest­zu­halten, dass im Nicht-Wohn­ge­bäu­de­be­stand nach unserer Einschät­zung die größeren Poten­ziale zur Wohn­raum­schaf­fung vorhanden sind. Insgesamt ist von einem bautech­ni­schen und ‑konstruk­tiven Gesamt­po­ten­zial der Wohn­raum­schaf­fung (zusätz­li­cher Wohnraum) im Gebäu­de­be­stand von ca. 4,34 Millionen Wohnungen auszu­gehen.

Dipl.-Ing. Dietmar Walberg (*1962), außer­or­dent­li­ches Mitglied des BDA, ist seit 2010 Geschäfts­führer der Arbeits­ge­mein­schaft für zeit­ge­mäßes Bauen e. V. in Kiel (www​.arge​-sh​.de). Bis 1991 studierte er Archi­tektur in Berlin und Kiel und arbeitete anschlie­ßend bis 2000 als Projekt­leiter in Rastede, Berlin und Kiel. Er forscht und publi­ziert zu bautech­ni­schen und bauwirt­schaft­li­chen Themen.

Verwal­tungs­hoch­haus von Teppich-Kibek in Elmshorn (Baujahr 1959), im Jahr 2017 zu Wohnraum umgebaut, Foto: Stadt­ar­chiv Elmshorn
Für eine Zwei­pha­sen­nut­zung ausge­legte Duplex-Grund­risse der 1950er-Jahre: konzi­piert als Kleinst­woh­nungen für Familien zur Linderung der Wohnungsnot, nach Entspan­nung auf dem Wohnungs­markt als Einfa­mi­li­en­rei­hen­haus nutzbar, Abb.: WOBAU Neumünster
Geschoss­woh­nungsbau der 1970er-Jahre, Beispiel­grund­riss, Abb.: Archiv der Arbeits­ge­mein­schaft für zeit­ge­mäßes Bauen e. V.