Ewiger Kreislauf

Houston, we have a problem

RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein

Gemeinsam mit dem BDA und dem Deutschen Archi­tektur Zentrum DAZ hat die Zeit­schrift der architekt den Call for Projects „Houston, we have a problem“ gestartet und um Einrei­chung substan­zi­eller Beiträge gebeten, die uns dabei helfen können, die Effekte des Klima­wan­dels zu gestalten. Dabei sind rund 150 gebaute und gedachte Projekte zusam­men­ge­kommen. Im Wochen­takt stellen wir an dieser Stelle ausge­wählte Beiträge vor.

Der Stein­koh­le­bergbau ist zwar seit rund einem Jahr endgültig Geschichte in Deutsch­land, die Folgen des jahr­zehn­te­langen Abbaus des schwarzen Ener­gie­trä­gers werden jedoch buch­stäb­lich ewig währen. Es ist ein besonders eindrück­li­ches Beispiel, wie der Mensch durch sein Handeln unum­kehr­bare Folgen hinter­lässt: Denn um das teils abge­sackte Ruhr­ge­biet vor Über­flu­tungen und das Grund­wasser vor Verun­rei­ni­gung durch Gruben­wasser zu schützen, müssen für alle Zeiten und rund um die Uhr gewaltige Mengen an Wasser abgepumpt werden. Von der Politik mit der Finan­zie­rung dieser „Ewig­keits­auf­gaben“ betraut wurde die RAG-Stiftung, die von der verur­sa­chenden Industrie finan­ziert wird und sich über die rein lebens­er­hal­tenden Maßnahmen hinaus auch für die sozi­al­ver­träg­liche Been­di­gung des Bergbaus sowie für Bildung, Wissen­schaft und Kultur einsetzt. Nun ist am Rande des Zoll­verein-Geländes in Essen aus der Feder von kada­witt­feld­ar­chi­tektur (Aachen) ein Verwal­tungsbau für die RAG-Stiftung und die RAG AG entstanden.

kada­witt­feld­ar­chi­tektur, RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein 2016 – 2018; Foto: Jens Kirchner

Bereits in seiner baulichen Gestalt will der neue Stif­tungs­sitz sich eher in den Bestand und die Land­schaft einfügen: Das Gebäude mit L‑förmigem Grundriss schließt das Areal des UNESCO-Welt­kul­tur­erbes zu einem angren­zenden Wald ab. Dabei wird der Vorteil des etwas absei­tigen Standorts genutzt, um den Besuchern über eine öffent­liche Dach­ter­rasse einen Blick auf das ehemalige Indus­trie­ge­lände zu gewähren. Der Zugang wird durch außen­lie­gende Trep­pen­an­lagen ermög­licht, deren Stufungen in der Fassa­den­ge­stal­tung fort­ge­führt werden. Die Dach­land­schaft – zu einem großen Teil üppig begrünt – kompen­siert dabei die durch den Neubau versie­gelte Fläche und dient als Aufent­haltsort für Besucher und Ange­stellte. In die zwei Flügel des Baus wurde darüber hinaus jeweils ein offener begrünter Hof einge­schnitten, in dem Treppen als Verbin­dung zwischen Büro­räumen und Dach­fläche hinein­ragen.

 

kada­witt­feld­ar­chi­tektur, RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein 2016 – 2018, Foto: Nikolai Benner

Bemer­kens­wert ist insbe­son­dere der Fokus auf die Nach­hal­tig­keits­stan­dards der „Cradle to Cradle“-Denkschule: Dies bedeutet in erster Linie, dass Bauma­te­ria­lien und Produkte verwendet wurden, die möglichst wenig Schad­stoffe enthalten sowie besonders gut getrennt und wieder­ver­wertet werden können. Mit der Fassade und den Fenstern aus Aluminium, Eichen­böden und Glas­trenn­wänden könnte der Bau somit einst als Mate­ri­al­lager für kommende Bauten dienen. Die Ener­gie­ver­sor­gung kommt über eine Photo­vol­taik-Pergola auf dem Dach sowie aus Geothermie über 18 Erdsonden. Zudem wird Regen­wasser vom Dach in zwei Zisternen gespei­chert und anschlie­ßend für die WC-Spülung im Haus und die Bewäs­se­rung des Dach­gar­tens verwendet. Der Garten ist dabei ausge­richtet auf eine möglichst große Arten­viel­falt, die ergänzt wird durch Fleder­maus­kästen und Bienen­stöcke.

kada­witt­feld­ar­chi­tektur, RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein 2016 – 2018, Foto: Nikolai Benner

Damit der Bau nicht nur theo­re­tisch, sondern auch praktisch irgend­wann einmal als Mate­ri­al­bank dienen kann, war er Teil des EU-Forschungs­pro­jekts „Buildings as Material Banks“, bei dem alle verbauten Mate­ria­lien in einem eigens entwi­ckelten „Material Passport“ verzeichnet wurden. Gerade dies ist ein zentraler Schritt, um Recycling beim Bauen zu ermög­li­chen, da dem Weiter­ver­wenden bislang vor allem Fragen der Gewähr­leis­tung im Wege stehen – eine zentrale Doku­men­ta­tion wäre eine Möglich­keit, dies zu erleich­tern und Bauwerke mit ihren gewal­tigen Mate­ri­al­mengen wieder einem Rohstoff-Kreislauf zuzu­führen. Mit den viel­fäl­tigen Maßnahmen konnte das Gebäude bereits das DGNB Zerti­fikat in Platin erlangen.
Elina Potratz

RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein, 20162018
Archi­tekten: kada­witt­feld­ar­chi­tektur, Aachen
Bauherr: RAG-Stiftung, Essen
Status: reali­siert

weitere Projekte aus dem Call for Projects „Houston, we have a problem“ können Sie in der Übersicht hier einsehen.

 

kada­witt­feld­ar­chi­tektur, RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein 2016 – 2018; Foto: Jens Kirchner
kada­witt­feld­ar­chi­tektur, RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein 2016 – 2018, Foto: Nikolai Benner
kada­witt­feld­ar­chi­tektur, RAG-Stiftung und RAG AG, Essen Zoll­verein 2016 – 2018, Foto: Nikolai Benner