Grammatik eines reichen Werks

Buch der Woche: Foto­gra­fien von Klaus Kinold

Klaus Kinold, Jahrgang 1939, foto­gra­fierte schon während seines Archi­tek­tur­stu­diums bei Rudolf Büchner und Egon Eiermann an der damaligen TH Karlsruhe. Als er sein Studium 1968 abschloss, wandte er sich gänzlich der Foto­grafie zu, fokus­sierte dabei mit dem Blick eines Archi­tekten vor allem Gebautes. Man kann sich vorstellen, welch immenses Archiv in den letzten fünfzig Jahren ange­wachsen sein muss. Für den Münchner Hirmer Verlag hat Kinold eine Reihe von Archi­tek­tur­bü­chern konzi­piert, die sich aus diesem reich­hal­tigen Fundus speist und pro Buch ein Werk oder eine Art Lebens­thema eines Archi­tekten in Szene setzt.

Klaus Kinold / Hans-Michael Koetzle (Hrsg.): Carlo Scarpa. La Tomba Brion San Vito D’Altivole, 72 S., 55 farb. Abb., deutsch / englisch, geb., Hirmer Verlag, München 2018, 35,– Euro, ISBN 978–3‑7774–2737‑9

Den Auftakt bildet 2016 die Publi­ka­tion zur gleich­na­migen und in der Münchner Galerie von Walter Storms gezeigten Ausstel­lung „Carlo Scarpa. La Tomba Brion San Vito D’Altivole“. Das Buch zeigt Aufnahmen einer wahrlich wunder­baren Serie aus dem Jahr 1985. Sieben Jahre nach Fertig­stel­lung des Areals hatte Kinold den Friedhof Brion in San Vito d’Altivole besucht, jenes faszi­nie­rende Spätwerk des vene­zia­ni­schen Archi­tekten Carlo Scarpa, in dessen unmit­tel­barer Nach­bar­schaft dieser selbst bestattet wurde. Das Grabmal für Giuseppe und Onorina Brion, auf rund 2.200 Quadrat­me­tern nord­west­lich von Treviso errichtet, ist seitdem zur Pilger­stätte vieler Archi­tek­tinnen und Archi­tekten geworden. Das Ensemble aus Grablege, Pavillon, Kapelle, Wiesen, Mauern und Wasser­be­cken legt sich recht­winklig um die nord­öst­liche Ecke des alten Friedhofs der Gemeinde. Carlo Scarpa hatte hier alle Frei­heiten und verstand es, diese auszu­kosten – und die Bilder von Kinold fangen das eindrück­lich ein. Über 50 Foto­gra­fien fasst das Buch zusammen, schwarz /​weiß und farbig. Allen wohnt ein ähnlich mythi­scher Zauber inne wie dem Ort selbst.

Der Text, der die Foto­gra­fien in lockerer Folge über das gesamte Buch begleitet, stammt von Hans-Michael Koetzle, der Chef­re­dak­teur der Leica World war und Heraus­geber zahl­rei­cher Foto­grafie-Bücher ist. Koetzle schreibt kurz­weilig, bisweilen blumig, aber fundiert und die Quali­täten der Foto­gra­fien auf den Punkt bringend. Die Bild­sprache Kinolds verortet er in der Folge der Neuen Sach­lich­keit und ihren Prot­ago­nisten Hugo Schmölz, Werner Mantz und Albert Renger-Patzsch. Deren Bemühen um Nüch­tern­heit und Objek­ti­vität aber, so Koetzle, ergänze Kinold um natür­liche Perspek­tiven und das Arbeiten mit diffusem Licht, das für den Foto­grafen in einer „Art Bild­gram­matik, die am Ende ein reiches Werk zusam­men­hält“ münde.

Klaus Kinold / Wolfgang Jean Stock (Hrsg.): Hans Döllgast. Schöp­fe­ri­sche Wieder­her­stel­lung, 80 S., 55 farb. Abb., deutsch / englisch, geb., Hirmer Verlag, München 2018, 35,– Euro, ISBN 978–3‑7774–3003‑4

Wie reich dieses Werk ist, zeigen die beiden in diesem Jahr nach­ge­legten Folge­pu­bli­ka­tionen – auch sie Begleit­bände zu Ausstel­lungen. Für „Hans Döllgast. Schöp­fe­ri­sche Wieder­her­stel­lung“ haben Kinold und Mither­aus­geber Wolfgang Jean Stock nicht mehr nur ein Projekt des im ober­bay­ri­schen Bergheim geborenen Döllgast verar­beitet, sondern derer fünf. Das Buch wartet mit Bildern der Alten Pina­ko­thek, der Basilika St. Bonifaz, dem Alten südlichen und nörd­li­chen Friedhof sowie der Aller­hei­li­gen­hof­kirche auf – allesamt in München. Auch in diesem Buch zeigt sich die Stärke von Kinolds Foto­grafie, die hier ausschließ­lich schwarz / weiß ist: Die Stand­punkte sind nach­voll­ziehbar gewählt, wirken nicht gesucht, die Bilder nicht über-ästhe­ti­siert oder ‑stili­siert. Kein Schatten verschluckt Details, alles ist genau kombi­niert. Diese Ange­mes­sen­heit der Mittel wird ergänzt durch die präzisen Texte Stocks, der die ausge­wählten Projekte beschreibt und einordnet. Verein­zelt gesellen sich außerdem Strich­zeich­nungen der Projekte hinzu, was das stimmige Gesamt­bild abrundet.

Klaus Kinold / Wolfgang Jean Stock (Hrsg.): Rudolf Schwarz. Kirchen­bauten, 72 S., 55 farb. Abb., deutsch / englisch, geb., Hirmer Verlag, München 2018, 35,– Euro, ISBN 978–3‑7774–3002‑7

Elf Projekte aus Deutsch­land und Öster­reich schließ­lich finden sich im dritten bis dato vorlie­genden Band „Rudolf Schwarz. Kirchen­bauten“. Neben fast ikonisch gewor­denen Motiven wie den Turm und Dachstuhl der Aachener Fron­leich­nams­kirche verbin­denden Steg, das Bücher und Ausstel­lungen zum Werk des 1961 in Köln gestor­benen Archi­tekten zierte, hat Kinold hier auch diverse Details abge­lichtet: Prin­zi­pal­stücke, Leuchter, Fenster, oft in Farbe. So wird nicht nur die Archi­tektur von Rudolf und Maria Schwarz doku­men­tiert und gewürdigt, sondern auch deren enge Zusam­men­ar­beit mit bildenden Künstlern wie Ewald Mataré und Georg Meis­ter­mann verdeut­licht. Jede der elf Kirchen wird in sich schlüssig gezeigt – zumal die Foto­gra­fien und Texte um Grundriss- und Schnitt­zeich­nungen ergänzt werden.

Klaus Kinolds Projekt ist derweil noch nicht beendet: Bücher zu Heinz Bienefeld, Ludwig Mies van der Rohe und seinem Karls­ruher Lehrer Egon Eiermann befinden sich derzeit in Vorbe­rei­tung.

Klaus Kinold / Hans-Michael Koetzle (Hrsg.): Carlo Scarpa. La Tomba Brion San Vito D’Altivole, 72 S., 55 farb. Abb., deutsch / englisch, geb., Hirmer Verlag, München 2018, 35,– Euro, ISBN 978–3‑7774–2737‑9
Klaus Kinold / Wolfgang Jean Stock (Hrsg.): Hans Döllgast. Schöp­fe­ri­sche Wieder­her­stel­lung, 80 S., 55 farb. Abb., deutsch / englisch, geb., Hirmer Verlag, München 2018, 35,– Euro, ISBN 978–3‑7774–3003‑4
Klaus Kinold / Wolfgang Jean Stock (Hrsg.): Rudolf Schwarz. Kirchen­bauten, 72 S., 55 farb. Abb., deutsch / englisch, geb., Hirmer Verlag, München 2018, 35,– Euro, ISBN 978–3‑7774–3002‑7