Kleiner, exklu­siver, indi­vi­du­eller

BDA Preis Berlin 2015

Der oft beschwo­rene, aber selten wirklich gelungen inter­pre­tierte Ortsgeist, er spielte auch bei den prämierten Projekten des BDA Preis Berlin 2015 eine große Rolle. Wie Jury­mit­glied Jörg Gleiter (Archi­tek­tur­theo­re­tiker, TU Berlin) bemerkt, gelingt es den vier ausge­zeich­neten Projekten „in hervor­ra­gender Weise […], einen starken Orts­cha­rakter auszu­prägen. Sie tragen damit zur positiven Iden­ti­fi­zie­rung der Benutzer mit dem jewei­ligen städ­ti­schen Umfeld bei.“ Die Jury, neben Gleiter bestehend aus Claudia Meixner (Frankfurt/​Main), Jòrunn Ragnas­dottir (Stuttgart), Michael Frie­ling­haus (Friedberg), Andreas Meck (München) sowie als Bauher­ren­ver­treter Xaver Moll (München), wählte aus 54 zuge­las­senen Arbeiten 18 aus, die sie sich vor Ort in Berlin anschaute, und vergab vier Preise sowie vier Auszeich­nungen. So unter­schied­lich die Bauauf­gaben waren – vom Kran­ken­haus über Wohnungen zum Museum, vom Neubau zur Erwei­te­rung zur Sanierung – sie einte, dass sie vom Bauvo­lumen her eher kleiner, exklu­siver waren. „In einem von Inves­toren beherrschten Markt heißt das aber nicht, dass die Archi­tekten etwa auf dem Rückzug wären“, betont Jörg Gleiter in der beglei­tend erschie­nenen Publi­ka­tion, „sondern dass gerade in kleineren Projekten und in Zusam­men­ar­beit mit enga­gierten Bauherren die Zukunfts­themen expe­ri­men­tell erprobt werden.“

Einen Preis erhielt die C/O Foun­da­tion im Ameri­ka­haus (mvpro­jekte Meyer Voggen­reiter mit Wolfgang Zeh, Petra und Paul Kahlfeldt Archi­tekten, B19 Planung und Projekt­lei­tung Holger Sack; Bauherr: C/O Berlin Foun­da­tion und SILB vertreten durch BIM Berliner Immo­bi­li­en­ma­nage­ment GmbH). In der Jury­be­grün­dung heißt es, die Sanierung und Umwand­lung des Ameri­ka­hauses in ein Museum bringe eine (offenbar uner­war­tete) Qualität der Nach­kriegs­mo­derne zum Vorschein: „…dass auch die Moderne altern kann […], viel­leicht sogar im Altern ihren eigent­li­chen Charme entwi­ckelt“.

ROBERT­NEUN Archi­tekten erhielten für das markante Wohn­quar­tier Am Lokdepot 1, 2, 3 (Bauherr: UTB Projekt­ma­nage­ment- und Verwal­tungs­ge­sell­schaft mbH) einen Preis. Die Archi­tekten reagierten auf die histo­ri­sche Archi­tektur eines Lokschup­pens, entnahmen diesem charak­te­ris­ti­sche Motive und über­führten sie in einen zeit­ge­mäßen Wohnungsbau, „ohne dabei in Retro­de­sign und Indus­trie­ro­mantik zu verfallen. […] Zwischen gestal­te­ri­scher Exzen­tri­zität und strenger ratio­naler Grund­struktur besitzt [es] einen hohen Iden­ti­fi­ka­ti­ons­wert.“

Die positive, ja heilende Wirkung, die Archi­tektur erzielen kann, hoben die Jury­mit­glieder beim Preis­träger Jason Danziger / think­build archi­tec­ture hervor (Bauherr: Alexianer St. Hedwig Kliniken GmbH). Das Soteria Berlin ist ein Um- und Ausbau einer psych­ia­tri­schen Station des St. Hedwig Kran­ken­hauses. Das in Zusam­men­ar­beit mit dem Klinik­per­sonal entwi­ckelte Projekt soll mittels archi­tek­to­ni­scher Maßnahmen Orien­tie­rung und Iden­ti­fi­zie­rung erleich­tern. „Das Ziel war der Rückbau der üblichen Stan­dard­ele­mente, während es ande­rer­seits durch ein klares Farb­kon­zept und durch eigens entwor­fene, schlichte Möbel gelang, in jedem Zimmer eine besondere Atmo­sphäre zu erzeugen, die beides voll­bringt: stimu­lie­rend wie beru­hi­gend auf die Bewohner zu wirken.“

Mit der Joachim­straße von David Chip­per­field Archi­tects (Bauherr: Grund­stücks­ge­sell­schaft Joachim­straße 11 GmbH & Co. KG) wurde ein Ensemble mit Büro‑, Wohn- und Gale­rie­nut­zung gewürdigt, das mit seiner konzep­tio­nellen Stringenz überzeugt und einen weiter­füh­renden Beitrag zur Debatte um Baulü­cken­schlie­ßungen liefert: Auf einer Brache in Berlin-Mitte mit dem Bestandsbau einer alten Klavier­fa­brik wurden vier Baukörper errichtet. Die Jury hob die „subtile Raumfigur“ und besondere Atmo­sphäre hervor, die „der Umkehrung der üblichen Entwick­lungs­stra­tegie zu verdanken“ sei. Anders als üblich, sei das Ensemble nicht von der Schlie­ßung des Block­rands ausgehend in die Tiefe entwi­ckelt, „sondern umgekehrt von der Tiefe des Grund­stücks heraus, ausgehend von der Klavier­fa­brik, nach vorn zur Straße. Die Block­rand­schlie­ßung ist nicht Anfang, sondern Abschluss der räumlich-archi­tek­to­ni­schen Figur.

Darüber hinaus gingen vier Auszeich­nungen an die FU Berlin Holzlaube (Florian Nagler Archi­tekten GmbH; Bauherr: Freie Univer­sität Berlin), an das Ch39-Monohaus (zander­rothar­chi­tek­tengmbh, Bauherren: Angela Knewitz und Stefan Karl), an die Wohn­häuser an der alten Stadt­mauer (Atelier Zafari; Bauherr: Just Living GmbH) und an die Küche für das himmel­beet, ein Urban-Farming Projekt im Wedding (raumstar*architekten; Bauherr: himmel­beet GmbH). Die Küche – die gleich­zeitig Café ist – für das himmel­beet wurde sogar doppelt ausge­zeichnet und erhielt zusätz­lich den Publi­kums­preis. Hierfür konnten im Mai und Juni dieses Jahres Inter­es­sierte im Internet ihre Favoriten aus allen einge­reichten Projekten auswählen. Mit 425 von 4835 gültigen Stimmen gingen raumstar*architekten als klare Sieger aus der Abstim­mung hervor.

Juliane Richter

BDA Preis Berlin 2015
Zum Preis erschien eine Doku­men­ta­tion:
BDA Berlin (Hrsg.): BDA Preis Berlin 2015. Berlin 2015, ISBN: 978–3‑00–049706‑3.