Die Welt verbes­sern im Kleinen

Filip Nosek, Architekt BDA, A2F Archi­tekten, Berlin/​Reykjavik

David Kasparek: Filip Nosek, Ihr Büro, das Sie gemeinsam mit Aðal­heiður Atla­dóttir und Falk Krüger führen, hat zwei Standorte: in Berlin und Reykjavik auf Island. Wie und wann kam es zu diesem Zusam­men­schluss?
Filip Nosek:
  Wir haben unser Büro nicht direkt nach dem Studium gegründet. Unmit­telbar nach dem Diplom 2004 sind die meisten meiner Kommi­li­tonen erst einmal ins Ausland gegangen. Aðal­heiður Atla­dóttir und Falk Krüger gingen nach Island, ich nach London. Schon während des Studiums hatte ich den Wunsch, ein eigenes Büro zu gründen, und in der gleichen Zeit merkten wir alle drei, dass wir gut zusam­men­ar­beiten können. Wir hatten früh ähnliche Vorstel­lungen von Archi­tektur und recht einheit­liche Ziele und Wege vor Augen.

Und recht klassisch hat Sie dann ein Wett­be­werb wieder zusam­men­ge­führt?
Ja, die Wirt­schafts­krise 2008 brachte Aðal­heiður Atla­dóttir und Falk Krüger aus Island zurück nach Deutsch­land – ich war kurz zuvor schon zurück­ge­kehrt. Wir haben hier dann gemeinsam einen Wett­be­werb für eine Schule auf Island bear­beitet und glück­li­cher­weise auch gewonnen. Das gab uns die Möglich­keit zum Bürostart und den beiden die Chance, wieder zurück nach Island – in die Heimat von Aðal­heiður Atla­dóttir – zu gehen und den Bau dort zu reali­sieren.

Was hielt Sie hier in Deutsch­land?
Unter anderem meine damalige Anstel­lung an der Hoch­schule in Kassel als Mitar­beiter am Lehrstuhl von Claus Ander­halten. Außerdem war ich gerade mit einem Projekt in Tsche­chien beschäf­tigt und die relative räumliche Nähe von Berlin aus war hilfreich.

Wie sieht die prak­ti­sche Zusam­men­ar­beit zwischen den Partnern seitdem aus?
Dadurch, dass wir uns schon lange und gut kennen, funk­tio­niert das auf vielen Ebenen und oft ohne viele Worte sehr gut. Das Vertrauen ist so groß, dass wir gegen­seitig wissen, dass der oder die jeweils anderen das schon gut machen werden. Am Anfang eines Projekts arbeiten wir oft, wie in einem Workshop, gemeinsam für einige Tage zusammen – hier in Berlin oder auf Island. Danach kommu­ni­zieren wir viel per Skype und E‑Mail. In der Endphase eines Wett­be­werbs läuft Skype dann dauerhaft im Hinter­grund und wir sprechen mitein­ander, als säßen wir physisch im gleichen Raum. Früher war ich ein echter Verfechter von Modellen – wir bauen sie aber eigent­lich nur noch digital, damit wir sie übers Netz austau­schen können.

Das klingt, als sei es nur noch ein kleiner Schritt in Richtung BIM. Spielt BIM eine Rolle?
Klar. BIM war bei der Schule auf Island von Auftrag­ge­ber­seite gefordert. Wir benutzen BIM seitdem in unserer Arbeit.

Ist es heute notwendig, inter­na­tional aufge­stellt und vernetzt zu arbeiten?
Notwendig viel­leicht nicht, aber es eröffnet einen anderen Markt, was den Start mit Sicher­heit erst einmal erleich­tert. Wünschens­wert ist es viel­leicht nicht unbedingt. Allein, weil es viel Energie kostet – die eigene geistige und körper­liche Energie wie auch global gesehene Ressourcen.

Wie sehen die von Ihnen ange­spro­chenen gemein­samen Ziele und Vorstel­lungen aus, die Sie mit Ihren Büro­part­nern verbindet?
Das betrifft weniger gestal­te­risch formale Aspekte der Archi­tektur. Da gibt es bei uns teilweise sogar relativ große Unter­schiede. Wir haben aber ähnliche mora­li­sche Vorstel­lungen und Ideale vom Umgang mit Menschen. Das betrifft vor allem das eigene Verhalten gegenüber den späteren Nutzern der Gebäude, die wir entwi­ckeln, und wie wir sie in den Planungs­pro­zess mit einbinden.

Was ist Ihre Rolle in diesem Prozess?
Wir möchten Anderen nicht um jeden Preis unsere Vorstel­lungen aufdrü­cken. Unser eigener Wunsch ist, im Dialog mit den Nutzern zu arbeiten und mit ihnen gemeinsam Lösungen für Probleme zu finden. Ein wenig roman­tisch könnte man fast davon sprechen, dass wir uns als Welt­ver­bes­serer im Kleinen sehen. Auch wenn das schon fast esote­ri­sche Bereiche tangiert, sind wir davon überzeugt, die Welt immer wieder ein kleines Stückchen besser zu machen, in dem wir ihr ein gutes Stück Archi­tektur hinzu­fügen, das von den Nutzern gemocht wird.

Und wie kann das gelingen?
Wenn Menschen Archi­tektur nicht nur benutzen, sondern mitent­wi­ckelt haben, dann iden­ti­fi­zieren sie sich mehr mit ihr – sie sind im besten Falle glück­li­cher in ihr, als sie es vorher waren. Und glück­liche Menschen müssen doch einen positiven Einfluss auf die Welt haben, oder? (lacht). Das kann man auch bis zum Bild des Schmet­ter­lings weiter­denken, der mit seinem Flügel­schlag auf der anderen Seite der Welt eine Reaktion hervor­ruft. Dieses Unvor­her­ge­se­hene halten wir nicht nur für eine Floskel. Natürlich wollen wir leben und das dafür nötige Geld verdienen – aber die Trieb­feder ist die Idee, die Welt immer wieder ein Stückchen besser zu machen.

Bedarf es dafür ein höheres Maß an Aktivität, bei dem Sie selbst Projekte entwi­ckeln und dafür dann Nutzer suchen?
Klar. Das ist super. Allein: In unserer bishe­rigen Arbeit hat das bislang noch keine Rolle gespielt. Auch weil wir immer ander­weitig in Projekte einge­spannt waren. Dennoch faszi­niert mich das sehr.

Ihre Projekt­ak­quise beschränkt sich vornehm­lich auf Wett­be­werbe?
Ja. Wett­be­werbe und Direkt­be­auf­tra­gungen. Die Schule auf Island und die Mehr­zweck­halle in Rendsburg sind durch Wett­be­werbs­teil­nahmen entstanden, der Umbau der Scheune in Tsche­chien war eine Direkt­be­auf­tra­gung.


Gibt es genug offene Wett­be­werbe, an denen Sie als junges Büro teil­nehmen können, oder ist die Anzahl ausrei­chend, da Sie ohnehin nicht mehr als fünf, sechs Wett­be­werbe im Jahr bear­beiten können?

Tatsäch­lich kommt das ziemlich genau hin – wir schaffen wirklich mit unserer derzei­tigen Besetzung nur rund fünf Wett­be­werbe. Aber mehr offene Wett­be­werbe wären dennoch wünschens­wert. Allein, weil sich durch eine größere Auswahl dann alle Büros den Themen widmen könnten, die sie wirklich inter­es­sieren – uns einge­schlossen.

Wie kam es zu dem Projekt im tsche­chi­schen Bilka?
Auch ziemlich klassisch: über Bezie­hungen. Meine Familie kommt aus der Gegend, ich kenne den Ort sehr gut. Ein junges Paar ist in dieses winzige Dorf gezogen – wir reden hier von nicht einmal zwanzig Häusern und damals viel­leicht sechs, sieben festen Einwoh­nern – und hat sich spontan in diese alte Scheune verliebt. Vor Ort hörten sie davon, dass meine Eltern Archi­tekten seien. Die aber wollten den Auftrag nicht über­nehmen, weil sie sich bereits zur Ruhe gesetzt hatten und haben das Paar an mich verwiesen… Für mich war dies das erste Projekt und entspre­chend aben­teu­er­lich – auch und vor allem, glaube ich, für die Auftrag­geber (lacht). Mitt­ler­weile ist die Einwoh­ner­zahl im Ort übrigens auf rund zwanzig ange­stiegen.

Dann sind hier einige Ihrer Hoff­nungen bezüglich der Verbes­se­rung der Welt im Kleinen aufge­gangen – nicht zuletzt wurden Sie für dieses Projekt 2013 mit einer Aner­ken­nung beim Hans-Schaefers-Preis des BDA Berlin ausge­zeichnet …
Ja. Ausschlag­ge­bend ist doch, dass man zwar als junger Architekt viel­leicht weniger Erfahrung mitbringt, dafür aber den unbe­dingten Willen, ein Projekt bis ins Detail selber zu machen. Letztlich steckt man wahr­schein­lich viel mehr an eigener Energie in so ein kleines Projekt, als dass es ökono­misch zu recht­fer­tigen wäre. Aber das führt am Ende trotzdem zu einem gewissen Erfolg.

www​.a2f​-arch​.com

neu im club: im Glashaus des DAZ
Gespräch mit Filip Nosek: 2. September, 19.00 Uhr
Werk­schau­pro­jek­tion: 3. September – 23. Oktober 2015
Deutsches Archi­tektur Zentrum DAZ
Köpe­ni­cker Straße 48/49
10179 Berlin
www​.daz​.de

neu im club wird unter­stützt von Vitra, Epson, den BDA-Partnern und den Unter­nehmen des DAZ-Freun­des­kreises.

Fotos: Ester Havlová/​A2F