Vorn die Innen­stadt, hinten der Weinberg

Gesucht wird wieder ein Bauwerk, das eine besondere Rolle in der Archi­tek­tur­ge­schichte der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts spielt oder gespielt hat – sei es durch eine besondere Eigen­schaft, eine unge­wöhn­liche Geschichte oder eine spezi­fi­sche Merk­wür­dig­keit. Lösungs­vor­schläge können per E‑Mail (redaktion[at]die-architekt.net) einge­reicht werden. Zu gewinnen gibt es wie immer ein Buch. Einsen­de­schluss ist der 23. Juli 2023.

Foto: Bernita LeGer­rette

Vorn die Ostsee, hinten die Fried­rich­straße“ – das war bekannt­lich Kurt Tuchol­skys Ideal, „mit schöner Aussicht, ländlich-mondän“. Nein, der Tatort liegt nicht in Berlin, soviel sei gespoi­lert. Aber „vorn die Innen­stadt, hinten der Weinberg“ trifft es hier ganz gut. Und innen eine verschwen­de­ri­sche, terras­sen­för­mige Erschlie­ßungs­land­schaft, eine offensiv in den Hang beto­nierte Kommu­ni­ka­ti­ons­ar­chi­tektur, heute in jeglicher Hinsicht nicht mehr baubar. Viel graue Energie ist hier gebunden – im ener­ge­ti­schen Sinne, aber auch ganz reell-materiell. Farbige Wand­re­liefs eines bekannten Bild­hauers sorgen als inte­graler Bestand­teil des Bauwerks für einen optischen Gegenpart zum Grau des Betons.

Ausge­bildet wurden hier ursprüng­lich Verwal­tungs­be­amte; heute nutzt noch eine Hoch­schule das Gebäude, unter anderem für Audimax und Semi­nar­räume. Doch die Zukunft ist ungewiss, der Immo­bi­li­en­druck bedroht den Bestand. Daher war der Bau kürzlich auch in Ausstel­lungen zu sehen, die unnötige Abriss­vor­haben anpran­gern.
Entstanden ist der Tatort als Baustein eines inner­städ­ti­schen Hoch­schul­campus, der als Pendant eines zeit­gleich auf der grünen Wiese entste­henden Univer­si­täts-Standorts fungieren sollte. Sein Architekt hatte sich in einem Gutachten schon im Jahr 1962 dafür einge­setzt, die Stärken der Innen­stadt auch für Bildungs­bauten zu nutzen. Der Tatort bildete das Herzstück des in diesem Zusam­men­hang voran­ge­trie­benen, mit einer Garten-Metapher bezeich­neten Campus’. Mit einem grünen Vorplatz arti­ku­liert sich das Gebäude im wahrsten Sinne zurück­hal­tend in der dichten City. Die erwähnte innere Terras­sie­rung setzt sich auch für Pausen­flä­chen auf verschie­denen Niveaus im Außenraum fort. Und von oben, von der Wein­berg­seite, ist der Bau mit seinem begrünten Dach auf Gelände-Level fast gar nicht als Hochbau zu erkennen.

Sein Architekt gehörte zu der Kohorte der damals vor Ort tonan­ge­benden Archi­tekten, Stadt­planer und Hoch­schul­lehrer. Teilweise zusammen mit einem lusti­ger­weise fast namens­glei­chen anderen Archi­tekten sorgte er für die „Im-Haus-Planung“ wichtiger Hoch­schul­bauten der örtlichen Tech­ni­schen Hoch­schule. Auch dort hat er ins Gelände hinein abge­staf­felte Tiefen­hör­säle entworfen. Entgegen dem Zeitgeist meldete sich der Architekt aber auch regel­mäßig mit kriti­schen State­ments gegen Funk­ti­ons­tren­nung und urbane Zonierung zu Wort. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eines der stärksten gebauten Beispiele für eine gemischte städ­ti­sche Nutzung nun zur Dispo­si­tion zu stehen scheint. Aber dies verwun­dert viel­leicht nicht in einer Stadt, der man schon vor Jahren den zwei­fel­haften Titel „Abriss­haup­stadt Deutsch­lands“ zuge­wiesen hat.

Wie heißt das gesuchte Gebäude in der ursprüng­li­chen Bezeich­nung, wann wurde es errichtet, wie heißt sein Architekt – und vor allem: In welcher Stadt steht es?

Bei dem Tatort aus Heft 2 / 2023 handelt es sich um die Stadt­halle in Mettmann, die als Nean­der­tal­halle oder auch Laub­frosch­oper bekannt ist. Sie wurde von Wolfgang Rathke geplant und 1982 fertig­ge­stellt. Die erwähnte Online-Petition, ins Leben gerufen von dem Jour­na­listen Klaus Englert, hat im April das erfor­der­liche Quorum von 660 Unter­schriften aus Mettmann erreicht. Gewin­nerin des Buch­preises ist Bettina Maria Brosowsky.

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Foto: Bernita LeGer­rette