Unser Haus, die Stadt

10. bda-tag in hannover

Der 10. BDA-Tag ist mit einem deut­li­chen Bekenntnis zu mehr Handlungs- und Gestal­tungs­frei­heit für die Städte zu Ende gegangen. Am 13. September refe­rierten und disku­tierten Vertreter aus Archi­tektur, Städtebau, Wirt­schaft und Politik zum „Bild der Stadt im Span­nungs­feld von Ämtern, Archi­tekten und anderen Akteuren“ in Hannover. Dabei wurde die Stadt Hannover als Austra­gungsort der Veran­stal­tung selbst zum Modell für eine fort­schritt­liche Stadt­ent­wick­lungs­pla­nung.

Schon im Grußwort hob BDA-Präsident Heiner Farwick – neben einer kurzen Rückschau auf die Geschichte des BDA-Tags – das „inte­gra­tive und iden­ti­täts­stif­tende Potenzial“ von ganz­heit­li­cher Stadt­ent­wick­lungs­pla­nung hervor, in der sich – so sie gelingt – das Selbst­ver­ständnis einer Gesell­schaft ausdrückt. Staats­se­kretär Gunther Adler (BMUB) zeigte die Bedeutung auf, die das Bundes­bau­mi­nis­te­rium dem Thema Stadt­ent­wick­lung beimisst: So gebe es ein neues Programm mit dem Titel „Nationale Projekte des Städ­te­baus“, das mit 50 Millionen Euro pro Jahr vom Bund finan­ziert werde. Darin seien die Kommunen zu einem Wett­be­werb der Ideen aufge­rufen, aus dem „Leucht­turm­pro­jekte der Stadt­ent­wick­lung“ hervor­gehen sollen.

Als „Gastgeber“ wies Thomas Hermann, Erster Bürger­meister der Landes­haupt­stadt Hannover, auf die besondere Rolle Hannovers in der bundes­deut­schen Stadt­ent­wick­lung hin: 1959 zierte das Konterfei des damaligen Stadt­bau­rats Rudolf Hille­brecht den Titel des Wochen­ma­ga­zins Der Spiegel unter der Über­schrift „Das Wunder von Hannover“. Kai Koch, Vize­prä­si­dent des BDA, vertiefte diesen Aspekt in seinem Vortrag Von der Stadt als Maschine zur Stadt­pla­nung als inter­dis­zi­pli­närem Mode­ra­ti­ons­mo­dell. Einen eigenen Teil widmete er darin dem Einfluss des CIAM und Le Corbu­siers „Charta von Athen“ mit ihrer radikalen Bereichs­tren­nung und Zonierung: Der Gropius-Schüler Rudolf Hille­brecht war der enga­gierte Vertreter dieses funk­tional orien­tierten Denkens in Hannover. Er schaffte es, seine „Vision einer Stadt mit einem gran­diosen Netz von Schnell­straßen“ der Bürger­schaft einer „biederen Residenz- und Pensio­närs­stadt“ (Der Spiegel) zu vermit­teln. Neben allem Respekt vor Hille­b­rechts großer städ­te­bau­li­cher Leistung, dem Koch eine „eigene geschicht­liche Evidenz“ attes­tierte, berge sein Konzept auch weniger stimmige Bereiche wie jenen östlich des Bahnhofs. Zudem sei es „unter Preisgabe wert­voller histo­ri­scher Bausub­stanz und räum­li­cher Ensembles“ verwirk­licht worden, was jedoch kein „Zurück zu den früheren Zuständen“ recht­fer­tige. Mit Blick auf die Zukunft lobte Koch das im späteren Tages­ver­lauf von Stadt­baurat Uwe Bodemann ausführ­lich vorge­stellte Konzept ‚Hannover 2020’. Hier würden in einem „enga­gierten und inten­siven stadt­ge­sell­schaft­li­chen Dialog“ zentrale Bereiche der Innen­stadt weiter entwi­ckelt. Aufset­zend auf dem Raum­kon­zept des Wieder- bezie­hungs­weise Neuauf­baus werden „wesent­liche Bereiche wie Leib­ni­zufer, Marstall, Klages­markt und Köbelinger Markt fokus­siert, deren Poten­ziale erforscht und in Wett­be­werben präzi­siert.“

Foto: Andreas Bormann

Andreas Mattner, Geschäfts­führer der ECE Projekt­ma­nage­ment und Präsident des ZIA (Hamburg / Berlin) spiegelte dem Publikum eine gespal­tene Bauher­ren­seite bei der Projekt­ent­wick­lung. Sein Vortrag zeigte einen inneren Wider­spruch: Während er anfangs die urbanen und sozialen Quali­täten bei der Gestal­tung von ECE-Einkaufs­zen­tren – kurze Wege, Verweil­qua­lität, hoch­wer­tige Archi­tektur durch Wett­be­werbe, Wasser­spiele, Grün­flä­chen, Nach­hal­tig­keit, Barrie­re­frei­heit – als unter­neh­mens­ei­gene Werte pries, prangerte er genau diese Elemente am Ende des Vortrags als unge­liebte Forde­rungen auf den „Wunsch­listen“ der Stadt­ver­wal­tung an. Dass er durch die Stadt tatsäch­lich „zum Glück gezwungen werde“, war ein Hinweis, den in der späteren Podi­ums­dis­kus­sion Bürger­meister Hermann gab: Dank der Forde­rungen nach ener­gie­spa­render Bauweise spare die ECE in der Ernst-August-Galerie am Hanno­ve­raner Haupt­bahnhof nun 30 Prozent Ener­gie­kosten.

Die deut­lichsten Rufe zur Stärkung der Stadt – und damit war auch deren Verwal­tung gemeint – kamen aus Saar­brü­cken und Ulm. In ihrem Vortrag Utopie einer ganz­heit­li­chen Schönheit des Ortes hob Baude­zer­nentin Rena Wandel-Hoefer (Saar­brü­cken) den Respekt vor dem Genius Loci als funda­men­talen Aspekt für eine schöne und iden­ti­täts­stif­tende Stadt­ge­stal­tung hervor. Dabei nahm sie auch die Archi­tekten und freien Planer in die Pflicht, die sich – ob bei der Gestal­tung von Fassaden oder der Möblie­rung der öffent­li­chen Räume – häufig schwertun mit der Akzeptanz der Vorgaben, die Gestal­tungs­bei­räte und Stadt­pla­nungs­ämter als verbind­lich fest­schreiben. Als positives Beispiel einer erfolg­rei­chen Stadt­ge­stal­tung verwies sie auf das Beispiel der Stadt Stockholm, deren „über Jahr­zehnte durch­ge­hal­tene Farb­leit­li­nien wohltuend und die Identität einer Stadt stärkend“ wirken.

Alexander Wetzig, Bürger­meister der Stadt Ulm, nannte drei Aspekte von Baukultur als entschei­dend für deren Gelingen: Planungs­kultur, Verant­wor­tungs­kultur, Dialog­kultur. Dazu arbeitete er fünf Tendenzen heraus, die Stadt­ent­wick­lungs­pla­nung derzeit stark beein­flussen – selten zum Guten. Besonders störend sei dabei die „Verrecht­li­chung“ der Planung, bei der die „Rechts­si­cher­heit“ und die Durch­füh­rung der Verfahren die Inhalte dominiere und absor­biere: „Keiner fragt mehr: ‚Was wollen wir?‘ Es geht nur noch um das ‚wie‘.“ Hinzu komme eine „Frak­ta­li­sie­rung“, eine Zersplit­te­rung der Planung und der Prozesse, in der eine ganz­heit­liche Sicht auf Planung verloren gehe. Die Suche nach der „besten Idee“ sei einem ängst­li­chen Beden­ken­trä­gertum gewichen, das in der fehlenden Bereit­schaft, Verant­wor­tung zu über­nehmen, lediglich die Erfüllung von Normen verfolge. Die Archi­tekten rief er dazu auf, sich nicht nur bei eigenen Projekten zu enga­gieren, sondern ihr Fach­wissen auch auf Bürger­ver­samm­lungen einzu­bringen. Er selbst verfolge in Ulm das Leitbild der „Versöh­nung der Moderne mit der Euro­päi­schen Stadt“.

Auch das Schluss­wort von BDA-Präsi­di­ums­mit­glied Erwien Wachter griff den Appell auf, sich mehr im Stadt­dis­kurs zu enga­gieren: Er verwies auf Aris­to­teles’ Metapher vom Menschen als „Zóon politikón” („poli­ti­sches Tier”) – ein Begriff, dem auch die ursprüng­liche und untrenn­bare Verbin­dung des Poli­ti­schen mit dem Städ­ti­schen (Polis) innewohnt.

Im Anschluss an die Vorträge und Diskus­sionen wurde die Ausstel­lung „Neue Neue. BDA-Beru­fungen 2013/2014” mit Beiträgen junger BDA-Mitglieder eröffnet.

 

Foto: Andreas Bormann