Strand­mo­nopol und Eierlikör

Zwischen Genie und Gaga bewegen sich die Erzeug­nisse künst­li­cher Intel­li­genz, Abb.: mit der KI DALL‑E 2 gene­riertes Bild

Wenn man die künst­liche Intel­li­genz ChatGPT darum bittet, ein Editorial für eine Archi­tek­tur­zeit­schrift zum Thema künst­liche Intel­li­genz zu schreiben, könnte der erste Absatz wie folgt lauten: „Wir befinden uns in einer Zeit, in der Tech­no­logie eine immer größere Bedeutung erlangt. Die Archi­tek­tur­branche ist davon nicht ausge­nommen: Künst­liche Intel­li­genz wird in Zukunft eine entschei­dende Rolle spielen, von der Planung bis hin zur Reali­sie­rung von Baupro­jekten. Keine Sorge, KI ist nicht gekommen, um Archi­tek­tinnen und Archi­tekten zu ersetzen, sondern um zu unter­stützen. Stellen Sie sich vor, Sie haben endlich alle Pläne für Ihr neues Gebäude bereit, aber Zweifel bleiben, ob alle möglichen Fehler berück­sich­tigt wurden. Hier kann KI eine wertvolle Hilfe sein. Sie kann Ihre Pläne analy­sieren und mögliche Schwach­stellen aufzeigen, bevor es zu spät ist.“

Für die schrei­bende Zunft mag es erleich­ternd sein, dass die Texterzeug­nisse des Chatbots der US-ameri­ka­ni­schen Firma OpenAI oft sehr simpel und glatt daher­kommen und (noch) keine Konkur­renz zu schrei­benden Menschen aus Fleisch und Blut zu befürchten ist. Aller­dings befindet sich die Mensch­heit derzeit noch in einer Erkun­dungs­phase dieser KI, bisher lässt sich noch kein abschlie­ßendes Urteil erlauben. Einige Menschen nutzen sie bereits, um Bewer­bungen, E‑Mails, Zusam­men­fas­sungen, Aufsätze oder auch Program­mier­codes erstellen zu lassen. Oder sie expe­ri­men­tieren mit den kreativen Möglich­keiten, zu denen man die KI treiben kann – etwa innerhalb von Sekunden eine gar nicht mal so schlechte Rede über die Bedeutung von Oster­de­ko­ra­tion und Eier­li­kör­pra­linen für Archi­tektur und Städtebau schreiben zu lassen.

Andere versuchen, die künst­liche Intel­li­genz zu über­listen – ihr moralisch verwerf­liche Inhalte oder Fehler zu entlocken, um so ihre Gefahren aufzu­de­cken. So antwor­tete die KI im Dezember 2022 auf die Frage, welches Säugetier die größten Eier lege, noch „Elefant“. Wenige Zeit später korri­gierte sie ihre Angabe zu „Elefan­ten­laus“, um zum Redak­ti­ons­schluss dieser Ausgabe bei „Strand­mo­nopol (Sphenodon punctatus), auch bekannt als Schwanz­lurch oder Neusee­län­di­scher Schwanz­lurch“ zu landen – also ausge­machtem Unsinn. Dennoch sollte man die KI nicht unter­schätzen, die stetig weiter­ent­wi­ckelt wird und auch solche Kinder­krank­heiten wahr­schein­lich bald über­wunden hat.

Schulen und Univer­si­täten trifft die öffent­liche Zugäng­lich­keit der künst­li­chen Intel­li­genz bereits mit voller Wucht. Aufsätze und Haus­ar­beiten zu gut doku­men­tierten Themen schreibt ChatGPT mit Leich­tig­keit, Lehrende können die Ergeb­nisse oft nicht von menschen­ge­machten Texten unter­scheiden, denn die KI lässt sich bei Fehlern oder unpas­senden Formu­lie­rungen mit sprach­li­chen Befehlen leicht nach­kor­ri­gieren oder manuell verfei­nern. Selbst eine im Eiltempo entwi­ckelte Anwendung, die solche KI-gene­rierten Texte erkennen soll, kommt an ihre Grenzen.

Die meisten Archi­tek­tinnen und Archi­tekten werden einwenden, dass sich ihre Krea­ti­vität nicht so einfach ersetzen lässt (auch die KI versucht in der Einlei­tung, dieser Befürch­tung entge­gen­zu­wirken). Das mag stimmen, doch gibt es auch für das Bauen bereits zahl­reiche Werkzeuge, die mit KI arbeiten und in Zukunft sicher noch an Bedeutung gewinnen werden. Wie beim Sprach­chat läuft es einem auch hier bisweilen kalt den Rücken hinunter, wenn etwa die Entwickler des Dienst­leis­ters „Proper­tymax“ in einem Video erläutern, wie man mit KI die maximale Ausnut­zung und damit die maximale Wert­stei­ge­rung eines Grund­stücks unter Berück­sich­ti­gung der baurecht­li­chen Vorgaben ermitteln kann – in den Händen der Richtigen aber sicher ein hilf­rei­ches Werkzeug, das man zumindest kennen sollte. Nicht gut wäre es dagegen, wenn es die Archi­tek­ten­schaft eines Tages so hart und unvor­be­reitet trifft wie derzeit die Univer­si­täten.

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Zwischen Genie und Gaga bewegen sich die Erzeug­nisse künst­li­cher Intel­li­genz, Abb.: mit der KI DALL‑E 2 gene­riertes Bild